Erziehung früher war nicht besser, aber irgendwie einfacher und klarer. Kinder hatten gehorsam zu sein. Es wurde gedroht, gestraft, emotionale und physische Gewalt angewendet,
damit das Kind tut, was die Mehrheit für richtig hielt. Gar nicht schön, wenigstens aber waren Ziel und Mittel klar und stimmten überein.
Erziehung heute ist anspruchsvoller. Wir wünschen uns mehr Gleichwürdigkeit, Beziehung und Kommunikation auf Augenhöhe. Trotzdem wollen wir aber immer noch, dass Kinder und Jugendliche uns folgen, sich so verhalten und entwickeln, wie andere es erwarten. Die alten Werkzeuge wollen wir aber nicht
mehr. Deshalb suchen wir immerzu neue Werkzeuge, finden die passenden aber nicht so recht. Wir versuchen das Kind emotional zu erreichen und zu belohnen. Ab und zu flippen wir
dann wieder aus, wenn alles nicht funktioniert. Eigentlich haben wir keinen Plan und am Ende ist es nicht viel besser als das Alte, nur anders, unklarer und komplizierter
aufgerüstet. Das Dilemma ist, wir können nicht Gehorsam erwarten und es gleichzeitig Beziehung nennen. Leider wissen wir oft gar nicht wie «in Beziehung treten» eigentlich
funktioniert, weil wir es selbst nicht erfahren haben.
Wenn Schule und Leistungsdruck so viel Platz in der Familie einnehmen, dass ständige Konflikte an der Tagesordnung sind…
Wenn wir als Eltern und Lehrpersonen den aktuellen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden und langsam den Überblick verlieren….
Wenn immer mehr Kinder und Jugendliche sich selbst verletzen, an Migräne, Zwängen, Syndromen, Depressionen, Süchten und Panikattacken leiden….
ist es dann nicht höchste Zeit, dass wir, die «erwachsenen Vorbilder», anfangen uns zu reflektieren, zu unseren Fehlern zu stehen und zugeben, dass wir anstehen? Ist es nicht
höchste Zeit die Systeme zu hinterfragen, anstatt den Fehler immerzu nur bei den Kindern und Jugendlichen zu suchen und aufzuhören an diesen herumzuzerren, damit sie auf
biegen und brechen in unsere veralteten Systeme passen?
Wenn wir Veränderung wollen und Gehorsam aufgeben möchten, müssen wir Vertrauen lernen. Es würde bedeuten, dass wir anstelle von vermeiden anfangen zu fühlen. Wir müssten
aufhören immerzu zu entsprechen, perfekt erscheinen und funktionieren zu wollen. Wir müssten lernen anzunehmen, ohne zu (ver)urteilen und zuzuhören.
Tönt ja ziemlich einfach, ist es aber nicht. Wir sind noch weit entfernt von den ehrlichen, echten und bindungsbasierten Beziehungen, die wir uns eigentlich so sehr wünschen.
Vielleicht würde es helfen, wenn wir zuerst einmal bei uns selbst anfangen....?